In Zeiten des Klimawandels sowie Kosten- und Versorgungsunsicherheiten, sollten Städte und Kommunen ihre Anlagen und Prozesse möglichst effizient und nachhaltig betreiben. Die Stadt Kaufbeuren hat bei Ihrer Kläranlage ein großes Energieoptimierungspotenzial identifiziert.
Die Herausforderung
Die Stadt Kaufbeuren betreibt eine auf 80.000 Einwohnerwerte bemessene Kläranlage mit Nitrifikation, Denitrifikation und Phosphorelimination. Die Kläranlage ist eine Kombination aus Tropfkörper und Belebtschlammanlage. Hieraus entsteht die Besonderheit, dass der Prozess der Nitrifikation nach der Belebungsstufe in den Tropfkörpern stattfindet. Aufgrund dieser Verfahrenskombination liegt die Kläranlage im kommunalen Vergleich über den spezifischen Energiebedarf (kWh/EW·a) recht hoch.
Üblicherweise ist die Belüftung der mit Abstand größte Energieverbraucher bei Kläranlagen mit biologischer Abwasserbehandlung nach dem Belebtschlammverfahren. Durch den Einsatz von Tropfkörpern für die Nitrifikation ist der Aufwand für die Belüftung der Hochlastbiologie von untergeordneter Bedeutung. Dieser Einsparung steht jedoch der Aufwand an Pumpenergie zur Förderung des Wassers auf die Zulaufhöhe der Tropfkörper entgegen. Zur Denitrifikation wird ein großer Teil des Ablaufs der Nitrifikationsstufe in die vor der Belebungsstufe angeordnete Denitrifikation zurückgeführt, so dass der rezirkulierte Anteil des Abwassers mehrfach gepumpt werden muss.
Somit ist das Rezirkulationsverhältnis der Schlüsselfaktor für die möglichen Energieeinsparungen der Kläranlage. Ein hohes Rezirkulationsverhältnis verursacht nicht nur erhöhten Pumpaufwand zur Förderung auf die Tropfkörper, sondern auch erhöhten Aufwand für das Pumpen des Rezirkulationsstroms und des Rücklaufschlamms der Belebungsstufe.
Das größte Energieeinsparpotential liegt in der Minimierung des Rezirkulationsverhältnisses, jedoch ohne die Qualität der Abwasserbehandlung zu beeinflussen.
Die Lösung
Einsatz von energieeffizienter Anlagentechnik. Die Stadt Kaufbeuren wählte das auf künstlichen neuronalen Netzen basierende System Xylem Vue Plant Management.
Dieses ist besonders ressourceneffizient, da nicht die Hardware erneuert oder ausgetauscht werden muss, sondern lediglich eine Software installiert wird. Schnittstellen und Infrastruktur bleiben erhalten. Durch die softwarebasierte Regelung ist ein automatischer, sich ständig anpassender Regelbetrieb der Rezirkulationsmenge möglich, ohne zusätzliche und aufwendige Messtechnik zu installieren. Das künstliche neuronale Netz wurde auf Basis historischer Daten erstellt und berechnet im laufenden Betrieb Prognosen, die sich an veränderte äußere Gegebenheiten anpassen. Erfahrungen der Mitarbeiter und das „richtige Händchen“ sind nach wie vor wichtiger Bestandteil für einen sicheren und guten Anlagenbetrieb, allerdings können die Bediener der Anlage nicht sämtliche Parameter im Blick haben und in Echtzeit regeln. Auch in der Nacht ist eine Überwachung der Anlage durch das Betriebspersonal nicht notwendig.
Das Xylem Vue Plant Management nutzt maschinelles Lernen und einen digitalen Zwilling für die Optimierung der Kläranlagenprozesse. Dieser kann nach „Anlernen“ durch die Auswertung geeigneter online verfügbarer Betriebsdaten eine Prognose des Verhaltens der Anlage erstellen und Optimierungsvorschläge ermitteln. Der optimierte Anlagenbetrieb ergibt sich, wenn die optimierten Sollwerte für die Steuerung der Anlage verwendet werden.
Die Optimierung des Anlagenbetriebs durch den Einsatz eines neuronalen Netzes zielt in erster Linie darauf ab, den Volumenstrom des Tropfkörperpumpwerks zu minimieren, indem das Rezirkulationsverhältnis den jeweiligen Betriebsbedingungen angepasst wird. Anstelle der bisherigen Automatiksteuerung, wird nun der Sollwert des Rezirkulationsvolumenstroms durch das künstliche neuronale Netz vorgegeben.
Die Ergebnisse
Die Implementierung des Xylem Vue Plant Managements half der Stadt Kaufbeuren bei der Effizienzsteigerung ihrer Kläranlage in den Bereichen Rezirkulation, Rücklaufschlammförderung und Tropfkörperbeschickung. Als ein Ergebnis wurde der jährliche Energiebedarf, bezogen auf den nichtoptimierten Zustand, um 160.000 kWh bis 190.000 kWh reduziert. Als weiteres wichtiges Ergebnis wurden diese Energieeinsparungen ohne Beeinträchtigung von Betriebssicherheit, Betriebsstabilität oder der Überwachungswerte erreicht.