Eine Explosion mit tödlichem Ausgang in einer Kläranlage in Florida führte dazu, dass zwei Xylem Mitarbeiterinnen sich auf eine sechs Jahre lange Reise begaben, um die Arbeitssicherheit für Personen zu verbessern, die in Kläranlagen und in der Kanalisation arbeiten. Ihr neuer Ratgeber ist eine Kombination aus wissenschaftlichen Erkenntnissen und Berichten über einige der größten Unfälle der jüngeren Geschichte.
Impeller sprach kürzlich mit Amy Forsgren, einer technischen Redakteurin bei Xylem, die zusammen mit der ebenfalls bei Xylem beschäftigten Informationsdesignerin Kristina Brinck den neuen Ratgeber Airborne Occupational Hazards in Sewer Systems verfasst hat.
Warum wollten Sie diesen Ratgeber schreiben?
Die Idee kam mir 2010, als ich über einen schrecklichen Unfall in einer Kläranlage in Florida las. Es war ein absolut vermeidbares Unglück, bei dem zwei Menschen unter schrecklichen Bedingungen ums Leben gekommen waren. Das Klärwerk hatte einige sehr wichtige, grundlegende Sicherheitsabläufe missachtet. Sie schickten ein Team, das Schweißarbeiten ausführen sollte, auf einen mit Methanol gefüllten Tank, ohne die entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, und die Heißarbeiten lösten einen gigantischen Feuerball aus.
Ich war so wütend, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn Dampf aus meinen Ohren gekommen wäre. Dann traf ich Markus Holmberg, den Sicherheitschef bei Xylem, und erzählte ihm von dem Unfall und wie aufgebracht ich war. Er fragte: „Was wollen Sie tun?“ So kam es, dass Kristina und ich uns entschieden, einen Sicherheitsratgeber zu schreiben.
Welche Themen wollten Sie in Ihrem Ratgeber ansprechen?
Das Projekt machte in den sechs Jahre, die es dauerte, den Ratgeber zu schreiben, eine Entwicklung durch. Anstatt sich die Abwasseraufbereitung im Allgemeinen anzusehen, konzentrierten wir uns auf luftgetragene Gefahren. Die häufigsten Gefahrenmomente in Klärwerken kommen auch in allen anderen Industriezweigen vor, wie z. B. Abstürze, Stromschläge und das Einklemmen durch bewegliche Teile. Es gibt bereits viele Ratgeber, die sich mit diesen Themen beschäftigen, zwar nicht unbedingt für Kläranlagen, aber für Industriebetriebe im Allgemeinen.
In der Kanalisation herrschen jedoch besondere Bedingungen, da das Abwasser Methan enthalten kann, das explosiv ist, sowie Schwefelwasserstoff, der beim Einatmen extrem giftig ist. Diese beiden Verbindungen entstehen, wenn sich Abfälle zersetzen. Wir stellten fest, dass in vielen Sicherheitsratgebern, in denen diese Gase thematisiert werden, behauptet wird, diese seien nicht besonders gefährlich, so lange man nicht in der Kanalisation arbeiten muss. Wir sondierten das Angebot und stellten fest, dass es keine Ratgeber gibt, in denen die speziellen Voraussetzungen in der Kanalisation behandelt werden.
Wer sollte Ihrer Meinung nach Ihren Ratgeber lesen?
Ingenieure, die mit öffentlichen Wasser- und Abwassersystemen arbeiten und alle, die Personen hinunter in die Kanalisation schicken. Wir möchten ihnen die Gefahren verdeutlichen, denen sie ihre Mitarbeiter aussetzen. Das ist unser Hauptziel. Das Kapitel über Schwefelwasserstoff wird aber auch für all diejenigen von Interesse sein, die im Bereich Arbeitssicherheit über Schwefelwasserstoff forschen, vor allem die statistische Analyse, die wir durchgeführt haben. Ich glaube, wir sind die ersten in der Welt, die diese Information über Schwefelwasserstoff zusammengefasst haben.
Was haben Sie über Schwefelwasserstoff gelernt?
Neu ist, dass wir in unserem Ratgeber erstmals sämtliche Erkenntnisse über Biomarker und Schwefelwasserstoff-Todesfälle in Japan und den USA zusammengefasst haben. Vor acht Jahren entwickelte sich in Japan ein Trend, sich mithilfe von Schwefelwasserstoff umzubringen. Über 100 Personen nahmen sich auf diese Art das Leben, fast ausschließlich junge Männer.
Es gab jedoch auch einige unbeabsichtigte Todesfälle. In einem Fall wollte sich eine Person im Badezimmer umbringen, und alleine der Umstand, dass ein Familienmitglied an der verschlossenen Badezimmertür rüttelte, reichte aus, damit das Gas durch den Türschlitz entweichen konnte. Das Gas ist so tödlich, dass auch das Familienmitglied getötet wurde.
Wir stellten fest, dass viele Menschen durch Schwefelwasserstoff umgekommen sind, und da das Gas so schnell zum Tod führt, ist es weder im Urin und häufig auch nicht im Blut nachweisbar. Wir können jetzt sagen, dass die Daten, die wir gesammelt haben, beweisen, dass hohe Konzentrationen an Schwefelwasserstoff tödlich sein können, ohne dass dies bei der Autopsie festgestellt wird. Eine wichtige Erkenntnis, wenn bei einem Todesfall am Arbeitsplatz die Todesursache ermittelt werden soll.
Wie sah die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Kristina aus?
Einige Wochen, nachdem ich von dem Unfall in Florida gelesen hatte, sprach ich mit Kristina darüber, die journalistisch geschult ist. Ich erzählte ihr, dass es Hunderte von Sicherheitsratgebern gibt, die jedoch keiner liest. Sie erwiderte: „Das liegt daran, dass sie unglaublich langweilig sind, Amy.“ Also sprachen wir darüber, wie wir den Ratgeber interessanter machen konnten. Schließlich entschieden wir, überall dort, wo es möglich war, Fakten mit tatsächlichen Unfällen zu ergänzen und diese umfassend zu analysieren. Kristina verschaffte sich einen Überblick über die großen Unfälle und verbrachte viel Zeit mit der Recherche, und ich habe das gesamte Material gelesen und die Kapitel geschrieben.
Was interessiert Sie an Schwefelwasserstoff?
Was mich interessiert, ist die Diskrepanz zwischen der Gefährlichkeit dieses Gases und unserer Einstellung dazu. Schwefelwasserstoff hat diesen lächerlichen Geruch nach faulen Eiern, den wir alle kennen aber nicht ernst nehmen. Allerdings ist das Gas so giftig wie Zyankali. Es handelt sich um eine extrem giftige chemische Verbindung und das finde ich faszinierend. Bei den Menschen, die in Industriebetrieben in den USA durch Gas ums Leben gekommen sind, starben die meisten an einer Kohlenmonoxidvergiftung, gefolgt von Schwefelwasserstoffvergiftung. Methangas und Gasaustritten wird viel Aufmerksamkeit geschenkt, dabei ist es der Schwefelwasserstoff, der viel größeren Schaden anrichtet.
Was können Menschen für ihre Sicherheit tun?
Das Testen der Luft steht an erster Stelle, genauso wichtig ist es, eine Maske zu tragen. Arbeitgeber müssen Schulungen durchführen und Sicherheitsprogramme implementieren, um sicherzustellen, dass alle die erforderlichen Tests absolvieren, bevor sie in die Kanalisation hinabsteigen und dafür sorgen, dass sie die richtige Ausrüstung haben. Es gibt jede Menge Ausrüstung zum Testen der Luft, die sehr einfach zu bedienen und nicht teuer ist.
Wie viele Menschen kommen jährlich durch Schwefelwasserstoff zu Schaden?
In den USA sterben jährlich im Durchschnitt zwei Personen, die mit Abwasser arbeiten, durch Schwefelwasserstoff. Außerdem kommt es zu zahlreichen Unfällen. Auf jeden Todesfall kommt vermutlich eine gehörige Anzahl von Personen, die aufgrund einer Schwefelwasserstoffexposition den Arzt aufsuchen mussten. Es ist ein gängiger Irrglaube, dass man keine Schäden davon trägt, solange man nicht stirbt. Das ist jedoch nicht richtig. Schwefelwasserstoff kann unterschiedliche neurologische Probleme und Gehirnschäden nach sich ziehen – er kann Leben und Familien zerstören.
Enthält Ihr Ratgeber noch andere, interessante Erkenntnisse?
Wirklich überrascht war ich, als wir uns mit dem Vorkommen von AIDS Viren in der Kanalisation zu beschäftigen begannen. Vor einigen Jahren war AIDS in aller Munde, und zahlreiche Sicherheitsexperten warnten vor einer AIDS-Exposition in der Kanalisation. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Gefahr durch AIDS Viren in der Kanalisation gleich Null ist, da das Virus außerhalb der Zelle nicht lange überleben kann. Das ist also eines der Risiken, das wir getrost von der Liste streichen können. Hepatitis jedoch stellt nach wie vor eine große Gefahr dar, genau wie Tetanus und Parasiten, die sich zunehmend in der Kanalisation ausbreiten.
Wie fühlen Sie sich jetzt, nachdem der Ratgeber auf dem Markt ist?
Ich hoffe, dass wir einen nützlichen Beitrag geleistet haben. Wir waren sehr froh über die enorme Unterstützung, die wir vom Xylem Management erhalten haben. Außerdem stand uns Dr. Per Hedmark, ein bei Xylem beschäftigter Forscher, mit Rat und Tat zur Seite.
Als der Verlag die Kurzrezensionen für das Buch zusammenstellte, wurde mit Tee Guidotti Kontakt aufgenommen, einer der Koryphäen auf dem Gebiet Schwefelwasserstoff. Sein Kommentar: „Dieser Ratgeber ist für das öffentliche Gesundheitswesen von großem Nutzen und ein Muss für Ingenieure, die öffentliche Kanalsysteme entwickeln. Er kann Leben retten.“ Als mir der Verleger dies zuschickte, dachte ich „Wow! Wenn wir Leben retten können, hat sich die Mühe wirklich gelohnt“.
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Andere Bücher der Serie: Advances in Water and Wastewater Transport and Treatment.
Herausgeberin der Serie: Amy Forsgren
1. Harmful Algae Blooms in Drinking Water: Removal of Cyanobacterial Cells and Toxins, von H.W. Walker
2. Wastewater Treatment: Occurrence and Fate of Polycyclic Aromatic Hydrocarbons (PAHs), Herausgeber A.J. Forsgren
3. Membrane Bioreactor Processes: Principles and Applications, von S-H Yoon
4. Advanced Nanomaterials for Wastewater Remediation, Herausgeber R.K. Gautam und M.C. Chattopadhyaya
5. Airborne Occupational Hazards in Sewer Systems, von A. Forsgren und K. Brinck